Zwei Oscars gewonnen
Brian Wade: Kalifornischer Make-Up-Monstermeister
Der Künstler und seine Kreatur: Kaliforniens Special-Effects-Make-Up-Artist Brian Wade schreitet in der Wiener Mollardgasse zur Tat.
(Bild: Reinhard Holl)
Kronen Zeitung| 10 August 2024
TEXT: Robert Fröwein
Für seine Modellierungen in Hollywood erhielt der kalifornische Special-Make-Up-Artist Brian Wade zwei Oscars. In einer Wiener Masterclass ließ er Interessierte unlängst an seiner Kunst teilhaben. Der „Krone“ gab er tiefere Einblicke in einen Job, bei dem man sich immer das innere Kind bewahren kann.
Wer kennt diese Kultfilme nicht? „Das Ding aus einer anderen Welt“, „Terminator“, „Star Trek“, „Die Gremlins“ oder „Blade“. Sie alle leben von einzigartigen Kostümierungen und schier übermenschlichen Leistungen der Make-Up-Künstler. Zu den besten seiner Zunft zählt die Hollywood-Koryphäe Brian Wade, der bei allen genannten Filmen am Werk war und mittlerweile sogar zwei Oscar-prämierte Make-Ups geschaffen hat. Bekommen hat er sie für die Verwandlung von Christian Bale in Dick Cheney im US-Politfilm „Vice“ (2018) und Jennifer Chastains Transformation in Tammy Faye im Film „The Eyes Of Tammy Faye“. „Der stolzeste Moment meines Lebens war, als mein Name bei der Oscar-Verleihung über den Fernseher lief“, lacht Wade im „Krone“-Gespräch, „ich habe sofort meine Mutter angerufen. Sie war so stolz und begann zu weinen. Wenn man irgendwann in die Berufswelt eintritt, dann möchte man seine Eltern stolz machen. An diesem Tag hat sich für mich alles gefügt.“
Tief zurück in die Kindheit
Während Wade aus seinem Leben erzählt, sitzt er gerade bei Maske-Wien in der Mollardgasse und unterrichtet interessierte Schüler, darunter Top-Maskenbildner aus der österreichischen Filmbranche. Die Masterclass gibt er nicht das erste Mal hier, Studio-Besitzerin Katharina Gräser konnte den Top-Techniker mit Hollywood-Flair schon fünfmal nach Österreich locken. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet Wade für große Hollywood-Produktionen und hat seinen Kindheitstraum zum Beruf gemacht. Doch wie wird man überhaupt Modellierer und Special-Make-Up-Artist? „Bei mir reicht diese Leidenschaft tief in die Kindheit zurück“, erzählt er, „als ich sechs Jahre alt war, kam meine Mutter völlig niedergeschlagen von der Arbeit nach Hause. Sie erzählte mir, dass man für die Miete und den Lebensunterhalt arbeiten müsse, dass sie ihren Job nicht mochte und dass sie nur einen Wunsch hat – ich soll irgendwann das tun, was mir wirklich Spaß macht.“
Maske-Wien-Chefin Katharina Gräser, Brian Wade und eine Handvoll heimischer Maskenbildner aus der Filmbranche, die sich bei Wade weiterbildeten.
(Bild: Reinhard Holl)
Als Kind pendelte Wade im heimatlichen Kalifornien noch zwischen den Berufswünschen Comic-Buch-Zeichner und Zauberer. „Recht bald dachte ich mir aber, dass wenn ich mich bei den Eltern einer Freundin als Magier vorstellen würde, mich alle für einen Loser halten könnten“, lacht Wade, „also habe ich mich auf Comics und Monster konzentriert.“ Wade schmierte sich Knetmasse und Kautschuk ins Gesicht, bastelte herum und las viele Bücher zum Thema. Mit den Jahren lernte er Mitschüler kennen, in deren Garage er sich austoben und üben konnte, über diverse Querverstrebungen gelang der Eintritt ins Filmbusiness, das er bis heute nicht verlassen hat. „Ich will ehrlich sein, man verdient keine Unsummen. Aber die glücklichsten Leute sind nie die, die viel Geld haben, sondern jene, die jeden Tag als Geschenk und eine Arbeit nicht als Arbeit sehen.“
Karrierewende mit der Maus
Dass sich als Modellierer und Skulpturen-Erzeuger ein Lebensunterhalt verdienen lässt, überrascht Wade viele Jahre selbst. „Irgendwann musst du dich entscheiden, ob du deiner Passion folgst. Ich hatte auch Glück, dass bei mir alles so aufging. Ich lebe den Traum jedes Kindes und bin dabei auch Kind geblieben.“ Monster wie Frankenstein, Dracula oder der Zyklop des 50er-Jahre Historienfilms „Sindbad“ faszinierten Wade schon in jungen Jahren, mit ihnen wird er später sein Geld verdienen. Nebenbei entwirft der Amerikaner auch Charaktere für die Videospiel-Industrie. Abseits der beiden Oscars gehört die beliebte Maus „Stuart Little“ zu seinen größten beruflichen Leistungen. Aus der Vorlage seiner Skulptur wurde die Kult-Maus digitalisiert und fand schnell den Einzug in die Fernseher und Herzen ganzer Familien.
Wade erläutert „Krone“-Redakteur Robert Fröwein seine Profession. (Bild: Reinhard Holl)
„Ich war im Büro des Studios und im Besprechungsraum waren die Wände voll mit Zeichnungen von Mäusen. Sie sagten mir, das Tier solle süß sein. Es soll ein Familienfilm werden und jeder müsse sie lieben. Und die wichtigste Voraussetzung: Sie dürfe keinesfalls wie eine Ratte aussehen. Mit diesen Basisinfos als Inspiration habe ich dann drei Skulpturen modelliert und die erste wurde genommen. Das Skript schrieb übrigens der bekannte Horror-Regisseur M. Night Shyamalan, das wissen nicht alle. Es gab dann später auch noch zwei Fortsetzungen, so schlecht kann das Projekt also nicht gewesen sein.“ Die Figur des „Stuart Little“ erfreute auch Wades geliebte Mutter. „Als sie damals noch lebte, sagte sie immer, ich solle doch süßere Figuren kreieren. Und ich musste ihr dann immer sagen, dass die Monster nicht nur mein Leben, sondern auch ihre Geburtstagsgeschenke bezahlen würden.“
Finden statt erfinden
In Hollywood müsse man sich die Freiheit erkämpfen. Immer wieder gäbe es Ideen und Vorlagen von den Produktionsfirmen, aber man müsse einfach Dinge übergehen. „Du musst dich von deinem Instinkt und deinen Ideen leiten lassen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird dein Vorschlag angenommen und die Produktionsmenschen finden ihn besser als das, was sie sich in ihren Köpfen vorher ausgemalt haben.“ Wade geht es beim Modellieren gar nicht so sehr um das Erfinden, als um das Finden einer eigenen Farbe. „Ich habe meine Lieblingsmonster und lehne meine Skulpturen daran an. Es geht mir darum, die Geschichte weiterzuschreiben, mich und meinen Stil in etwas Bestehendes einzubauen. Zeit meines Lebens übe ich wie ein Besessener und will einfach stetig besser werden. Die zwei Oscars zu haben ist unglaublich, aber ich glaube nicht, dass ich jemals in eine Pension gehen werde.“
Der Kalifornier geht seiner Tätigkeit mit kindlicher Freude und unheimlich viel Leidenschaft nach. (Bild: Reinhard Holl)
Die große Leidenschaft treibt den 62-Jährigen mittlerweile quer über den Globus, um sein Wissen an motivierte Schüler weiterzugeben. „Am Ende des Tages sind das nur Ton- oder Kautschukklumpen. Aus denen willst du etwas machen, deine eigene Persönlichkeit darin wiederfinden. Ich bin als Lehrer ziemlich streng und sage den Schülern auch, dass meine Kurse vielleicht nicht die richtigen sind, sollten sie zu zart besaitet sein. Ich will, dass sie alle gut werden, dass sie selbst die Motivation dazu haben, richtig gut zu werden. Natürlich soll es Spaß machen, aber wenn man einmal davon leben will, ist Spaß nicht alles. Dann muss ich mich pushen und mir vor Augen halten, dass in der Sekunde, in der ich gerade an einer Skulptur arbeite, am anderen Ende der Welt jemand anders dasselbe tut und vielleicht besser ist als ich. Es gibt ein hässliches, Wort, das mit ,Ü‘ beginnt – Übung. Aber Übung ist alles. Du kannst auch nur der beste Gitarrist werden, wenn du alles dafür gibst.“
Das beste Monster kommt erst
Im Zeitalter des Digitalen hat sich Wades Arbeit verändert, die Nachfrage nach handgemachten, echten Skulpturen ist aber ungebrochen. „Als CGI, also die 3D-Computergrafik, in den 90ern populär wurde, dachten alle, das war es jetzt mit uns. Aber die Sorgen haben sich relativ schnell wieder gelegt, weil das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlug. Viele Studios wollten wieder etwas Echtes zum Angreifen haben und da standen wir natürlich parat.“ Auch das Thema Künstliche Intelligenz ängstigt ihn nur peripher. „Wo immer es eine Möglichkeit gibt, Geld einzusparen, wird das gemacht. Das liegt in der Natur des Menschen. Aber dass die KI nicht die Lösung aller Probleme ist, erleben wir gerade sehr rasant. Der Trend flacht rapide ab und das Tempo normalisiert sich.“ Wade lebt seinen Kindheitstraum ohnehin weiter und lässt sich nicht beirren. Das beste Monster bzw. die beste Skulptur sei schließlich noch nicht gemacht. Und auch wenn das nie passieren wird – er wird weiter beharrlich daran arbeiten.