​Die Maske – eine Reise durch die Zeit

Prospect Magazin | Dezember 2022
TEXT: Katharina Gräser

Der Ursprung
Sowohl 9000 Jahre alte Steinmasken aus Israel, Funde von Tiegeln mit Farbpigmenten für den kosmetischen Gebrauch oder rituelle Körperbemalungen – die Geschichte der Mas- ke greift weit zurück. So hatte jede Epoche ihre eigenen Besonderheiten. Der Eyeliner im alten Ägypten war nicht nur ästhetischer Natur, sondern sollte die Augen vor Fliegen und anderen lästigen Insekten schützen. In der Antike wurden Masken aus Leinen, Gips oder gegerbter Tierhaut und Tierhaaren hergestellt. In der Renaissance verwendete man für die erwünschte edle Blässe giftige Bleischminke, die zu Haarausfall führte und die Haut zerstörte. Im Rokoko waren überdimensionale Haarskulpturen in Mode.

Die Geschichte der Maske beginnt mit der Menschheitsgeschichte. Der heute bei Kreativen beliebte Beruf, der in der Filmkunst und im Theaterbereich Darsteller:innen in neue Charaktere verwandelt, zieht eine lange Geschichte mit sich. Ein chronologischer Einblick in den Facettenreichtum des Maskenbilds.

Die erste Maskierung im Theater hat im 6. Jht. v. Chr. der griechische Dichter Thespis eingeführt. Damals wurde das Gesicht des Chorführers mit giftigem Bleiweiß beschmiert, heute ist klar: Die verwendeten Materialien sind die halbe Miete. 3D-Modellierungen, Prothesen aus Silikon und Gesichtsteile aus Latex prägen die moderne Welt der Maske. Doch wie entwickelte sich der Beruf des Maskenbilds?

Die Neuzeit
Schauspieler:innen wie Lon Chaney begannen, sich 1920 auf dem Gebiet des Film-Ma- ke-ups zu spezialisieren. Sie verwendeten dazu aus heutiger Sicht primitive Materialien, um das Gesicht zu verändern. Man schmierte Leichenparaffin oder Putty auf das Gesicht und baute so dicke Schichten auf, um falsche Nasen, Narben oder andere horrorartige Gebilde zu formen. Das wahrscheinlich unangenehmste Material war Kollodion, das ursprünglich für die Produktion von fotografischen Platten verwendet wurde. Es war höchst entflammbar und ver- ursachte oft Hautirritationen.

Die Männer, die vor nichts zurück- schreckten
Lon Chaney war ein Vorreiter des Maskenbilds und experimentierte vermehrt mit der Kunstform. Um Quasimodo in Notre Dame darzustellen, trug Chaney einen 18 kg schweren Buckel aus Schaumstoff. Die- ser war an ein Ledergeschirr geschnürt, das weitere 13,5 kg wog. Chaney füllte für die Rolle seinen Mund mit Wachs und bedeck- te ein Auge mit Nasenkitt. Für das Phantom dehnte er sein Gesicht auf eine sehr schmerzvolle Art und Weise in die Länge, indem er Drähte unter seine unteren Augenlider, im Mund und in den Nasenlöchern einspannte. Er wollte mit der Seele seiner bedauernswerten Kreaturen das Publikum emotional erreichen. Auch Jack Pierce präg- te den Beruf des Maskenbilds enorm. Der Maskenbildner ging 1931 mit seinem un- vergesslichen Frankenstein-Monster-Make- up in die Geschichte ein. Kollodion, das mit Watte kombiniert wurde, wurde Schicht für Schicht aufgebaut, um die überdimensional hohe Stirn von Boris Karloff im Film „Frankenstein“ zu kreieren.

Der Durchbruch
In den späten 1930ern ergab sich ein tech- nischer Durchbruch beim Film-Make-up: die Foam Latex Technology. Von nun an konnten mit dieser Technik vorgefertigte Gesichtsteile direkt auf das Gesicht der:des Schauspieler:in geklebt und diese mittels Negativformen fast unbegrenzt verviel- fältigt werden. Die Zeiteinsparung war enorm. Maskenbildner Jack Dawn setzte die neue Technik erstmalig 1939 im Film „The Wizard of Oz“ ein.

Weiterentwicklung in den 60ern
Diese Technik wurde von Dick Smith zur Perfektion getrieben und ist heute noch die Basis für die Herstellung von aufwendigen Hollywood-Make-ups. Niemandem ist Dick Smith’s Make-up von Linda Blair in „Der Exorzist“ unbekannt. Im selben Film ent- wickelte Dick Smith am Schauspieler Max von Sydow die „Old Age Stipple“-Alterungs- technik: eine Formel, bestehend aus Latex, die über eine zuvor gedehnte Hautpartie gestrichen wird: Nach dem Loslassen erhält man eine faltige Hautpartie. Der berühmte Hollywood-Maskenbildner Rick Baker, ein Schüler von Dick Smith, entwickelte dessen Techniken in Blockbustern, wie Star Wars, The Grinch oder Batman, weiter. Bis heute zehrt Hollywood von den Errungenschaften der Maskebildnerei.

3D, Silikon und Latex
Heutzutage werden im Make-up-Effekte- bereich CGI (Computer Generated Images) und Special Make-up Effects miteinander kombiniert. So trägt zum Beispiel Davy Jo- nes, der bekannte Charakter aus „Pirates of the Carribean“ ein Prosthetic Make-up – die Bewegungen seiner Oktopustentakel werden durch computergenerierte Bilder unterstützt. Seit einigen Jahren beginnt der 3D-Printer den klassischen Formenbau in Hollywood teilweise abzulösen, da viele Charaktere mitels 3D-Modeling am Computer erstellt wer- den. Auch Gesichtsabgüsse werden, wenn Schauspieler:innen nicht mit Silikon und Gipsbinden arbeiten möchten, anhand von 3D-Scannern und 3D-Printern erstellt. Jedoch entwickelt sich diese Technik gerade erst, somit ist in manchen Situationen der klas- sische Gesichtsabguss akkurater. Zukünftig wünschenswert wäre, dass sich Technik und Handwerk bestmöglich ergänzen, dass Model- lieren und der manuelle Formenbau der Film- industrie weiterhin erhalten bleiben.

Katharina Gräser – Maskenbildnerin

Katharina Gräser ist langjährige Maskenbildne- rin, Ausbilderin und Leiterin der Maske Wien. In ihrer Diplomarbeit „Creatures Features“ an der Universität für angewandte Kunst befasste sie sich mit Hässlichkeit in der Spezialeffekte-Maske in Hollywood-Blockbustern.

www.maske-wien.com